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1998-04-27
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3KB
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54 lines
Urheben II
Autor / ReferentInnen: Kurd Alsleben, Prof. fuer künstlerische Telematik
/ Computer an der HfbK, Hamburg, Antje Eske
Mit der Datenkunst hat der Chaos Computer Club eine bis in die frühen
80er Jahre zurückreichende Beziehung zur telematischen Kunst. Das
belegen Namen wie padeluun und Rena Tangens, Wau Holland, Matthias
Lehnhardt, Peter Glaser. Der Beitrag "Urheben" lenkte die Aufmerksamkeit
auf die Idee des zwischen persönlichem und öffentlichem Raum plazierten
offiziösen Raum (Claudia Schmölders). Er ist der Ort, in dem
authentischer Austausch möglich ist. Netze sind offiziöser Raum,
Datenkunst, Netzkunst ist Kunst ohne Publikum. Es wird nichts geboten,
es gibt kein Publikum, das wünscht vom Künstler gefesselt zu werden,
kein Sender richtet sich an einen Empfänger. Es geht vielmehr um Formen
/ Konventionen, einen gemeinsamen Code zu erarbeiten. Das bekannte
Bemühen um "Netiquette", deren erste Maxime - ähnlich dem Paragraphen 1
der Straßenverkehrsordnung - aufruft, zu bedenken, daß auf der anderen
Seite ein Mensch sei, nähert sich diesem Punkt. Kunst ohne Publikum,
Kunst als Verkehr, ist nicht unfaßlich. Wir können aus der Geschichte lernen.
Während des Absolutismus in Frankreich, einer Zeit mächtigster Zensur,
200 Jahre zwischen englischer und französicher Revolution, waren Salon,
Brief und schmale Broschüre die intellektuellen kommunikativen
Institutionen. Die Literalität hatte noch keine Alleinherrschaft
erlangt.
Die erste Generation der pariser Salons war die "Preciosité". Diese
Salons entwickelten sich gegen die kulturelle Vorherrschaft des
königlichen Hofes, sie waren offen für die Bürger - Mme de Rambouillet
-, man löste sich von Grundsatzdebatten zugunsten des Verarbeitens
eigener Entdeckungen, suchte die Leichtigkeit der "Sprezzatura" und
artistische Höchstleistungen - Mlle de Scudéry -. Moliére geißelte die
Auswüchse in seinem Stück "Die lächerlichen Preziösen". Erotik war ein
deutliches Medium aller Konversationskultur. Die zweite Generation der
Salons - nach einer Übergangszeit (Mme de Tencin) - waren die Salons der
Enzyklopädie. Drei hervorragende wurden genannt (v.d. Heyden-Rynsch):
Mme Geoffrin, ein sehr gut organisierter Salon, in dem wohl heikle
Themen weniger zur Sprache kommen konnten. Der Salon der jungen Mlle de
Lespinasse wurde "Laboratorium" genannt, in ihm konnte man sozusagen ins
Unreine sprechen. Im Salon der Mme du Deffand gab es scharfzüngigen
kritischen Spott. Die pariser Salons und ihre wechselnden und sich
jahrelang, auch täglich immer wiedertreffenden BesucherInnen bildeten
ein dichtes Netz. In diesem Netz existierte die Enzyklopädie
ausformuliert. Die 17 Buchbände dürfen - von einem nichtliteralen
Standpunkt aus - als nachträgliche Vervielfältigung aufgefaßt werden. -
Kurz erwähnt wurde auch die ars sermonis, die Konversationskunst der
griechischen und römischen Antike, deren Grundmaxime einer Ästhetik des
Sozialen das Verbot der Rechthaberei war.
Die Netze sind offiziöser Raum für die Kunst, einer Kunst ohne Puplikum.
Dabei gibt es tiefgreifende Proble für uns, wie das unseres
Individualismus-Ideals.